Sicherheit geht vor

Reiten schlichtweg ein gefährlicher Sport – hier treffen zwei Individuen aufeinander, eine davon mit ausgeprägtem Fluchtinstinkt. Neben Ausbildung von beiden Parteien und solidem Reitersitz ist die richtige Ausrüstung essenziell, um das Risiko für Pferd und Reiter möglichst gut zu minimieren.

- Wer Köpfchen hat, setzt einen Helm auf

Das Bewusstsein zum Tragen von Kappen hat nicht zuletzt durch die Neuerung des FEI Reglements enorm zugenommen, nachdem das Reiten mit Zylindern nun auch international untersagt ist. Besonders gefährlich ist an einem Sturz die abrupte Abbremsbewegung beim Aufprall, Dezelerationstrauma genannt. Hinzu kommt die Gefahr von Rotationskomponenten, die zu Verletzungen an den Nervenfasern führen können. Aktuelle Forschungen hinsichtlich der neuen Generation von Reithelmen setzen hier an und sollen diese Kräfte minimieren. Klassische Helme absorbieren am besten statische bzw. gerade Schläge, die unter rechtem Winkel auftreffen, und bei denen keine Rotationskraft auftritt. Dieser Sturzmechanismus ist aber selten isoliert der Fall. Die MIPS Helme haben in der Außenschale des Helmes eine zweite Schale montiert, die direkt am Kopf liegt und die Rotationskräfte relativieren. Sie müssen aber zum optimalen Schutz perfekt passen, hier ist eine professionelle Beratung beim Händler erforderlich.

- Sicherheitswesten – Komfort und Schutz?

Brustprotektor, Rückenprotektor, Airbag-Weste – die Auswahl ist groß, der mit gekaufte Schutz unterscheidet sich jedoch. Je nach Westenart sind Wirbelsäule, Rippen, Brustwirbelsäule und obere Lendenwirbelsäule zwar geschützt, untere Lendenwirbelsäule, Nacken und die inneren Organe allerdings gar nicht bis mangelhaft. Der Schutzfaktor von Sicherheitswesten wird in Level 1-3 angegeben.

Level 1: Geringer Schutz – Protektor schützt die Wirbelsäule und meist das Steißbein. Jedoch kaum Schutz für Rippen und Brustkorb.

Level 2: Teilschutz – Protektor schützt erweiterte Wirbelsäule mit verstärkter Polsterung an Brustkorb und Rippen. Nur unter gesicherten Reitbedingungen empfohlen.

Level 3: Hoher Schutz – vollständiger Schutz der Wirbelsäule mit oberer Lendenwirbelsäule, der Rippen, Brustwirbelsäule und des Steißbeins. Verpflichtend beim Start an Vielseitigkeitsturnieren.

 

Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass vom Schutzfaktor eigentlich nur zu Westen Level 3 gegriffen werden sollte, denn gesicherte Reitbedingungen gibt es quasi nicht. Zusätzlichen Schutz bietet eine Airbag-Weste. Diese löst allerdings nur aus, wenn sich Pferd und Reiter trennen. Bei Überrollstürzen hingegen erfolgt die Trennung und somit das Auslösen des Mechanismus deutlich zu spät. Diese Unfälle stellen auch das größte Todesrisiko im Reitsport dar. Neue Forschungen setzen auf nicht mechanische Auslösemechanismen, die sich zum Beispiel an der Rückenwölbung des Pferdes orientieren.

- Schuhwerk – nur mit Absatz in den Sattel

Festes Schuhwerk, knöchelhoch und mit Absatz: Dadurch wird der Knöchel stabilisiert, die Beine liegen ruhiger und ein Durchrutschen des Fußes durch den Bügel wird verhindert. Neben klassischen Reitstiefel können auch Stiefeletten beim Reiten getragen werden. Entscheidend hierbei ist aber der Schutz der Waden, die ohne entsprechenden Besatz der Reithose oder Chaps leicht in den Bügelschlaufen eingeklemmt werden können. Sporen müssen so angelegt werden, dass sie nicht verrutschen und die Flexibilität des Fußes hemmen. Neben geeigneten Reitschuhe und –stiefeln sollte festes Schuhwerk auch im Umgang mit dem Pferd usus sein, um Verletzungen zu minimieren.

 

- Steigbügel – Trends hinterfragen

Kaum ein anderer Ausrüstungsgegenstand lässt so viele Horrorszenarien aufkeimen wie der Steigbügel. Unfälle, bei denen der Reiter im Gelände im Steigbügel hängenbleibt und von seinem Pferd mitgeschleift wird, sind keine Seltenheit. Da wundert es auch nicht, dass sich neben den klassischen Fillis-Steigbügel eine breite Anzahl vermeintlich sicherer Systeme in allen Farben, futuristischem Design und verschiedenen Sicherheitssystemen etabliert hat. Doch so schick die Bügel auch sein mögen, sie können über Leben und Tod entscheiden. Entscheidend ist, dass sich der Reiter im Bügel bewegen kann, er muss seine Fußstellung umstellen und anpassen können, nur so kann ein ausbalancierter Sitz in jeder Lage gewährleistet werden. Im Notfall muss der Reiter sicher und schnell mit seinem Fuß aus dem Steigbügel gelangen. Flexible Seiten oder einseitig mit Gummibändern bespannte Bügel können ein Verkanten des Fußes im Bügel bei einem Sturz minimieren. Einige Systeme werben aber gar für ein Klick- oder Magnetsystem, mit dem der Fuß im Steigbügel an Position gehalten werden soll. Durch den ständigen Bügelkontakt kann der Reiter nicht mehr flexibel genug reagieren und klebt quasi am Bügel. Ein schnelles Abspringen des Reiters ist beinahe nicht mehr möglich, damit ist die Gefahr viel höher als in einem geschlossenen Bügel. Auch die Trittfläche selbst spielt eine entscheidende Rollen, diese ist aber eher personenbezogen: breite Auflagen oder flache, wenig Grip oder viel – alles eine Sache des Reitgefühls. Neben den Steigbügeln selbst ist auch die Aufhängung der Steigbügelriemen, das Bügelschloss, ein Sicherheitsfaktor. Dieses sollte immer geöffnet oder zumindest sehr leichtgängig sein, damit sich im Fall der Fälle der gesamte Steigbügel mit Riemen vom Sattel lösen kann.

- Stricke – zum Führen und Anbinden

Hohes Gefahrenpotential sowohl für Reiter als auch das Pferd birgt das Führen und Anbinden. Zur Grundausrüstung jedes Pferdes und zur Grundausbildung jedes Reiters gehört deshalb das Wissen um die korrekten Stricke und Öffnungsmechanismen. Es gilt: zum Anbinden Strick mit Panikhaken, zum Führen Strick mit Karabinerhaken. Das hat zwei Gründe: Verletzungen durch angebundene Pferde sind sehr häufig. Das Fluchttier Pferd zerrt meist ohne Rücksicht auf Verluste am Strick, wenn es in Panik gerät. Der Gegendruck erhöht dabei die Panik zusätzlich und kann enorme Schäden am Knochengerüst, Genick und den Weichteilen wie Schleimbeutel verursachen. Beinahe jährlich werden neue Innovationen auf diesem Gebiet vorgestellt und prämiert. Die einfachste Möglichkeit bietet ein zwischengeschaltetes zusätzliches Band, für das weit weniger Kraft aufgewendet werden muss, um es zu zerreißen. Alternativen sind Panikschlaufen, die durch Klettverschluss mehr Sicherheit beitragen, Gummiclips oder spezielle Vorrichtungen, die dem Pferd bei Druck automatisch mehr Strick nachgeben, wodurch sich die meisten Pferde schneller wieder beruhigen.

 

- Halfter, Decken und Gurte

Oftmals passieren schlimme Unfälle, wenn der Reiter diese gar nicht mitbekommt. Das Pferd verheddert sich mit dem Halfter an Zaun oder Baum, es bleibt beim Wälzen in den Deckengurten hängen oder die Decken verrutschen beim Toben so stark, dass das Pferd in seiner Bewegung eingeschränkt wird. Daher empfiehlt sich beim Weide- oder Paddockgang, das Halfter abzunehmen. Spezielle Weide- oder Sicherheitshalfter bieten Sicherheitsschnallen, die sich bei Druck öffnen, Klettverschlüsse oder sogar Sollbruchstellen. Gerade Verletzungen am Kopf und Nackenbereich können langfristige und schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Verbleibt das Halfter am Pferdekopf muss es passgenau sitzen und darf nicht verrutschen. Das Ende des Nasenbeins misst nur wenige Millimeter. Rutscht das Halfter nach unten und das Pferd verheddert sich, kann es sehr leicht brechen. Entsprechende Polsterungen auf Nase und Genick vermindern, wenn auch nur gering, das Risiko für schwerwiegende Verletzungen, weil die Auflageflächen vergrößert und der Druck somit breitflächiger verteilt wird. Wenn Decken von Produktion aus kein zusätzliches Sicherheitsfeature aufweist, können Beinschlaufen, die den Halt der Decke verbessern, nachgerüstet werden. Ebenfalls erhältlich sind bereits Gummi-Schnallen, die zwischen die üblichen Verschlüssen angebracht werden: Verheddert sich das Pferd in den Gurten, reißt das Gummi und das Pferd kommt frei.

 
- Sicherheitsrisiko Fahren

Vor allem das Fahren birgt große Risiken. Zum einen durch Unvorhergesehenes durch den Straßenverkehr und die daran Beteiligten an sich, zum anderen aber auch durch das Ver- und Entladen sowie die eigentliche Zeit, die das Pferd auf dem Pferdehänger verbringt. Festes Schuhwerk, Handschuhe und im besten Fall eine Hilfsperson bieten die Grundvoraussetzungen für sicheres Auf- oder Entladen des Pferdes. Nach dem Draufführen muss immer erst die Absperrstange eingehängt werden, ehe das Pferd angebunden wird. Beim Entladen wird das Pferd zunächst losgebunden und erst dann erfolgt das Entfernen der Absperrstange. Die Absperrstangen können manuell von außen gelöst werden, falls das Pferd mit seinen Gliedmaßen darüber gerät oder sich darunter festklemmt. Wichtig ist, sich vor der ersten Fahrt mit diesen Sicherheitselementen vertraut zu machen und für den Ernstfall entsprechend zu üben und sicherzugehen, dass das nötige Werkzeug immer griffbereit ist.